Nicht nur im Berufsleben ist das Fäden ziehen eine nützliche Tätigkeit, auch beim Nähen kann das manchmal weiterhelfen. Zum Beispiel bei rutschigen Gardinenstoffen. Ich habe die höchste Achtung vor den Tausenden von Raumausstattern, die ihre Tage damit verbringen, diese rutschigen Stoffe zu bändigen und vor allem gerade Nähte an ihnen zu produzieren. Die „hohen“ Preise für die Anfertigung von Gardinen und Vorhängen sind meines Erachtens nach mehr als berechtigt! Jeder, der schon mal selbst meterweise Voilé vernäht hat,wird mir zustimmen.
Aber wir wären ja keine Hobbyschneiderinnen, wenn wir uns nicht auch daran mehr oder weniger lustvoll versuchen würden. In diesem Fall eindeutig weniger lustvoll, denn ich schiebe das Gardinen nähen nun schon mehrere Wochen vor mir her, aber gerade eben hat es mich gepackt. Das schwierigste ist ja immer, die untere Kante gerade abzuschneiden und zu nähen, damit die Dinger auch gerade hängen, und hier kommt das Fäden ziehen ins Spiel. Los geht’s:
Zuerst legt man den Stoff gerade hin und bestimmt die Länge, an der später abgeschnitten werden soll.
(In meinem Fall liegt der Stoff auf einem Bügelbrett, dessen Muster durchscheint, also wundert euch nicht über das komische Blumenmuster hinter dem Kannen- und Becher-Motiv. Außerdem musste ich bei einigen Bildern den Blitz abschalten, weil der helle Stoff sonst zu sehr reflektiert; daher sind einige Bilder gelbstichig und nicht hundertprozentig scharf, weil ich zu faul war, das Stativ aufzustellen.)
Die gewünschte Länge sind 90 Zentimeter.
Endpunkt markieren, z.B. mit einer quergesteckten Nadel.
Bei diesem eher grob gewebten Stoff sind die Kett- und Schussfäden deutlich erkennbar, aber auch bei dichter gewebten Stoffen wie den typischen Gardinen-Voilés kann man das ganz gut erkennen. Mit einem Pfeiltrenner löst man einen Querfaden – nur einen! – aus dem Verbund heraus. Am besten macht man dies in ca. 2 cm Entfernung vom Rand, dann hat man gleich etwas Länge zum Festhalten.
Hier ist der herausgelöste Faden gut zu sehen.
Nun zieht man sehr vorsichtig an dem Faden; der Stoff kräuselt sich dabei.
Mit der einen Hand hält man den Faden fixiert, mit der anderen Hand kann man nun den gekräuselten Stoff von dem Faden wegschieben, dann wieder den Faden anziehen, so dass der einzelne Faden immer länger, der Stoff immer kürzer wird. Sehr vorsichtig immer weiter so verfahren, und den gekräuselten Stoff immer in kleinen Abschnitten zum entgegengesetzten Stoff-Ende hin wegschieben. Wenn man Glück hat, kann man so den kompletten Faden herausziehen. – Wenn nicht, ist das aber auch nicht so schlimm. Wie man hier sieht, kann man auch bei gerissenem Faden gut erkennen, wo es weiter geht: Links ist der Faden gezogen, rechts ist er noch drin.
Erneut mit dem Pfeiltrenner den gewünschten Faden herauspulen:
Weiter verfahren wie oben beschrieben, bis der komplette Faden herausgelöst ist. Hier habe ich den Stoff ausgebreitet; man erkennt sehr gut, wo der eine Faden fehlt. Gleichzeitig kann man hier die Qualität des Druckmotives erkennen – das Muster verläuft genau waagrecht zu den Fäden, und läuft nicht schräg nach oben oder unten weg. (Bei dem Preis kann man das auch verlangen…)
Nun kann man recht einfach, aber vorsichtig, mit Schere oder auch Rollschneider in der Lücke zwischen den Schussfäden entlang schneiden.
Voilá! So einfach ist das. 🙂
Bevor man den Saum näht, werden aber in der Regel erst die Seitennähte genäht. Mit Hilfe des genialen Kantenformers von modii konnte ich auch diesen flutschigen Stoff halbwegs gerade umbügeln. Leider tauchte beim Nähen der Kante ein großes Problem auf: Der Stoff zog sich zusammen und schlug Wellen; sowohl beim durchgenähten Zickzack als auch bei einem langen Geradstich. 🙁
Das passiert gerne bei solchen dünnen, feingewebten Stoffen. Es gibt verschiedene Lösungsansätze, unter anderem auswaschbares Vlies oder Sprühstärke. Letztere scheidet bei einem Kunstfaser-Stoff wie diesem natürlich aus. Hmmm, ich hab doch da gerade ein neues Saumgerät mit Differential erworben… Hehehe!
Funktioniert! 😀
Ich dachte eigentlich, dass ich die langweilige Strafarbeit des Gardinen nähens hinter mich bringen muss, bevor ich endlich meine neue Cover für schöne T-Shirts einsetzen kann. Dass ich die so schnell wieder benutzen kann, hätte ich nicht gedacht. Nein, ich beschwere mich nicht. 😀
Tja, und schon wurde ein neues Einsatzgebiet für das neue Spielzeug gefunden!
Das ist aber auch ein herziges Stöffchen. Ich glaube ich schau mir das mal in natura an, wenn’s hängt. xD
LG und auch schöne Grüße an den GöGa.
M.