Nähtugenden

Heute wird´s mal ein bisschen philosophisch…

Man kann, sofern man das möchte, aus allen Dingen Nutzen ziehen und etwas daran lernen. Auch das Nähen kann einem einige Dinge vermitteln, die ich mal als Tugenden bezeichnen will. Spontan fallen mir ein:

– Geduld. Wer schon einmal eine schwarze Dreifach-Naht in schwarzem Stoff getrennt hat,  den vermurksten Halsauschnitt zum vierten Mal steppt, oder zweimal hintereinander die Hosenbeine falsch zusammengenäht hat, weiß, was ich meine.

– Sorgfalt. Oft eine „Spätfolge“ aus häufig wiederkehrenden Fehlern. Um diese in Zukunft zu vermeiden, kann es hilfreich sein, sich eine sorgfältige(re) Arbeitsweise anzugewöhnen und alles zweimal zu kontrollieren, bevor man zu Nadel oder Schere greift. – Entweder das… oder man ist geduldig. 😉

– Mut. Scheinbar konträr zu Sorgfalt, oder? Damit meine ich den Mut, sich an neue Projekte zu wagen, die auf den ersten Blick die eigenen Fähigkeiten zu übersteigen scheinen. Manche Dinge sind gar nicht so schwierig, wie sie aussehen. Den Mut, ungewöhnliche Ideen umzusetzen, die man bisher so noch nicht gesehen hat. – Manche Dinge sind allerdings aus gutem Grund nicht zu sehen… 😉

– Demut. Zu erkennen, wie blöd man selbst sein kann, wenn man zweimal hintereinander die Hosenbeine falsch herum aneinander genäht hat, kann sehr heilsam sein. Vor allem, wenn man sich gerade darüber wundert, wie andere Leute vor Ehrfurcht erzittern vor Dingen, die man selbst scheinbar mühelos hinbekommt. Sehr toleranz-fördernd. Wir haben alle mal klein angefangen, und jeder hat seine persönlichen Hürden zu nehmen. Dem einen fällt dieses schwer, dem anderen jenes. Und man weiß vorher selbst nicht, was einem leicht fällt und was nicht – oder auch, woran man scheitert – ehe man es nicht versucht hat.

– Wissensdurst, oder schlicht Neugier. Gibt es noch andere Wege als den, den ich kenne? Gibt es noch andere Sachen, als die, die ich mache? Gerade im handwerklichen und künstlerischen Bereich kann man soviel von anderen Menschen lernen. Sei es aus Büchern, im persönlichen Kontakt, oder eben hier im Internet. Es gibt unzählige Inspirationsquellen und so viele hilfsbereite Menschen, die gerne ihr Wissen weitergeben. Fragen kostet nichts. – Erstmal im Forum suchen, ob andere die gleiche Frage schon einmal gestellt haben, allerdings auch nicht. 😉

Und hier noch ein schöner Ausschnitt aus einem aktuellen Artikel zum Thema: Warum sind unsere Wochenenden so verpfuscht?

„Der Soziologe Robert Stebbins bezeichnet “ernsthafte Muße“-Aktivitäten als die erfüllendsten: Beschäftigungen, die eine andauernde Verfeinerung von tatsächlich gelernten Fähigkeiten erfordern. Hobbies [hier: nicht Fernsehen oder Shoppen, Anm. d. Übers.] sind auf dem absteigenden Ast, aber ein Hobby ist genau die Art von Beschäftigung, die dem Wochenende einen Mehrwert gibt. Briefmarkensammler und andere Steckenpferd-Reiter mögen uncool wirken, aber sie wissen um die Wohltat, die es bringt, völlig in einer Aktivität zu versinken und die Zeit zu vergessen – diesen verjüngenden Flow-Zustand.“

Quelle: https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2017/may/06/who-killed-the-weekend (Übersetzung von mir)

In diesem Sinne wünsche ich allen noch ein erfüllendes Wochenende. Tue, was Du willst.