Na sowas… Ich hätte schwören können, dass ich einen Beitrag über den Rucksack gemacht habe, den ich letztes Jahr für einen Freund genäht hatte. Das habe ich anscheinend geträumt? Also schnell nachholen:
Los ging es mit der gemeinsamen Auswahl der passenden Stoffe bei meinem Lieblings-Händler Mahler Stoffe. Die Wahl fiel nach einigem Überlegen auf einen grafisch gemusterten Softshell-Jackenstoff, der genug Haltbarkeit und Stabilität für einen Rucksack versprach. Als Futter kam ein farblich passender Techno-Stoff dazu; so nannte sich der sehr dünne, aber extrem reißfeste dünne Stoff. Den habe ich dann doch „nur“ als Kontrast-Stoff verwendet und als Futter noch einen klassischen, helleren Futterstoff verwendet. (Es gibt nichts schlimmeres als dunkles Taschenfutter; da findet man ja nichts drin.)
Ich hatte mir in den letzten Monaten schon zig verschiedene Rucksack-Schnittmuster angeschaut, und meine Wahl fiel dann auf den Varo von Hansedelli. Mit der Littly Mynta-Geldbörse hatte ich ja schon gute Erfahrungen gemacht, und die vielen Variationen, die bei dem Varo möglich sind, gefielen mir sehr. Die vielen Details sind zwar aufwendig, aber mit genug Ruhe und Sorgfalt ist dieser Schnitt nach Meinung von Hansedelli (und mir) auch für nicht ganz so geübte NäherInnen machbar.
Die vielen Variationen und die eingebauten Taschen bedeuteten allerdings auch viele, viele Einzelteile beim Zuschneiden. Maximal sind es 20; allerdings in unterschiedlichen Zusammenstellungen je nach gewählter Variation. Ich hatte 12 Teile, was für einen Rucksack ja schon ungewöhnlich viel ist. Hier ein kleiner Ausschnitt vom Zuschnittprozess:
(Die Farben sind auf diesem Foto übrigens etwas besser getroffen als auf den Fotos vom fertigen Teil. Die Farbe zwischen Blau und Grün ist wirklich schwer zu treffen.)
Den oberen Teil der Tasche wollte ich aus dem Kontraststoff machen. Zum Zuziehen mit den Kordeln war mir der Softshell zu fest und zu dick. Damit wäre die Öffnung nach dem Zuziehen wohl nicht wirklich dicht gewesen, und in einer Großstadt ist das ja schon angebracht.
Allerdings wäre der Techno-Stoff für sich allein genommen wiederum viel zu dünn gewesen. Also habe ich den mit Hilfe von etwas Volumenvlies und Steppnähten erstmal in einen Steppstoff verwandelt, bevor ich ihn zugeschnitten und weiter verarbeitet habe. Damit passte er in Dicke und Volumen viel besser zum Softshell, war aber noch weich genug, um sich gut zuziehen zu lassen.
Die ersten Nähproben auf dem zweilagigen Techno-Stoff waren ziemlich entmutigend, wie man sieht, weil die Naht so stark kräuselte. Leider kann ich mich nicht mehr daran erinnern, welche Nadel ich schlussendlich verwendet habe; ich vermute, eine Microtex? Mit dem aufgebügelten Volumenvlies als Zwischenlage war das Problem auch nicht so stark, und beim Absteppen habe ich den Stoff immer straff gezogen; das ging dann ganz gut.
Von einem der interessanten Features der Tasche habe ich gar keine Detailfotos gemacht, aber auf dem Bild des fertigen Teils kann man es erkennen: Direkt in der diagonalen Teilungsnaht der zwei Oberstoffe ist eine Blende zwischengefasst, die die Reißverschlüsse zu zwei innen liegenden Taschen links und rechts verdeckt. Auf dem Foto sieht man mittig die Reißer herauslugen:
Alleine dieses Feature war ziemlich arbeitsaufwendig, und das alles im richtigen Winkel einzusetzen erfordert etwas Sorgfalt. Aber das Ergebnis hat sich mehr als gelohnt, finde ich! 😍
Auf der Rückseite habe ich ein eigenes Feature eingebaut, das nicht im Schnitt enthalten war: Ich habe einen gekauften Rucksack, der seitlich unten eine längs eingenähte, kleine Reißverschluss-Tasche hat. Diese ist extrem praktisch, um den Schlüssel darin unterzubringen. Durch die Lage der Tasche zum Rücken hin kann man den Reißverschluss aufziehen und den Schlüssel heraus nehmen oder verstauen, ohne den Rucksack von den Schultern nehmen zu müssen. (Wenn man normal gelenkig ist. Wer sich in der rückwärtigen Taille kratzen kann, kriegt das hin.) Die Tasche ist auch groß genug für ein normal großes Mobiltelefon (z.B. iPhone Mini; nicht diese „Backbleche“, die gerade in Mode sind). Ich war so begeistert von dieser unglaublich praktischen Idee, dass ich die unbedingt auch bei diesem Geschenk umsetzen wollte. Als Verstärkung für die Öffnung habe ich noch eine extra Blende aufgesteppt, die ich im Musterverlauf zugeschnitten habe:
Als Verschluss hatte sich der Empfänger ja die einfache Turnbeutel-Variante mit gegenläufigen Zugbändern/Trägern gewünscht. Dafür habe ich oben einen Tunnel aus dem Techno-Stoff aufgenäht. Die Träger laufen am unteren Ende durch eine kleine Schlaufe aus schmalem Gurtband. Diese wiederum sind befestigt an einem Stück des doppelt gelegten Softshell, das beim Zusammennähen des Oberstoffs mitgefasst wird. Der Softshell selbst war mir nicht ausreichend zugfest, und diese Lösung sorgt hoffentlich dafür, dass die Schlaufen selbst und der Softshell bei etwas mehr Gewicht nicht so leicht ausreißen können. – Der Boden des Rucksacks ist abgenäht, damit man unten mehr Volumen zur Verfügung hat, z.B. für einen Aktenordner.
Im Inneren habe ich mir dann nicht ganz so viel Arbeit gemacht und das im Schnitt vorgesehene Steckfach aus dem Techno-Stoff auf den helleren Futterstoff genäht. Ein komplett gefütterter Rucksack/Turnbeutel ist ja auch eher ungewöhnlich, aber da es drei von außen zugängliche, aber innen liegende Taschen gibt, ist das sozusagen eine Notwendigkeit, damit diese Taschenbeutel von innen unsichtbar sind. Und es sieht sehr viel schöner und sauberer aus.
Insgesamt war das eines der aufwendigeren Projekte meiner Näh-Laufbahn, aber es hat wieder mal irrsinnig viel Spaß gemacht. Und der Empfänger des Geschenks hat sich riesig gefreut. Das Teil ist seitdem im Dauereinsatz, und besonders die rückwärtige Tasche wurde auch sehr gelobt. So macht das Nähen Spaß! 😍
Als nächstes plane ich einen Rucksack nach diesem Schnitt für mich selbst. Der wird optisch ganz anders ausfallen; seid gespannt… 🙃
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